Die
Geschichte
mit
der
Feder
Zu welchen Taten ein Bayreuther Hotelier fähig ist, wenn er
einen berühmten Gast nicht vergraulen will, zeigt eine wahre
Begebenheit in den 50er Jahren. In ihrem Mittelpunkt steht ein
Ehrenbürger der Festspielstadt, der große Dirigent Hans
Knappertsbusch. Dem Werk Richard Wagners zu dienen, war für ihn
eine geradezu heilige Pflicht, für die er nicht einen Pfennig Gage
nehmen wollte. Über viele Jahre war er sozusagen der Treueste der
Treuen am Grünen Hügel. Aber der "Kna", wie er im Volksmund
hieß, hatte leider noch eine andere Eigenschaft, die weniger
angenehm war. Er sah nicht nur äußerst bärbeißig
und grimmig aus - er war es auch aus tiefstem Herzensgrund. Er war
leider auch der Gröbste der Groben: Er nannte Wieland Wagner einen
Halunken, den berühmten Sänger Windgassen einen
"Krawattl-Tenor" und Martha Mödl eine alte Schleppziege. Sein
Lieblingswort ging mit A an und hörte mit Loch auf.
Besagter "Kna" saß vor über vierzig Jahren im "Hotel
Bayerischer Hof" und blickte voller Zorn auf eine ältere Dame am
Nebentisch. Diese trug einen modischen Hut mit einer großen
Feder, die bei ihren Geprächen lebhaft hin und her wackelte -
für den Dirigenten offenbar ein unerträglicher Anblick. Also
ließ er den Hotelier Hans Seuß antanzen. In einem Ton, der
keinen Widerspruch duldete, verlangte er von ihm, die aufdringliche
Feder sofort abzuschneiden, andernfalls werde er das Haus nie mehr
betreten. Der Gastronom litt Höllenqualen, doch dann ergriff er
beherzt die Schere und schritt zur Tat. Mit der liebenswördigsten
Miene ging er auf sein Opfer los und sagte: "Gnädige Frau, ich
habe von Herrn Professor Knappertsbusch den ehrenvollen Auftrag, diese
Feder abzuschneiden." Schnipp-schnapp, weg war das Ding. Was folgte,
war keinesfalls ein empörter Aufschrei: Helles Entzücken lag
vielmehr auf dem Gesicht der Dame, das sich nunmehr unter einem
federlosen Hut befand. "O, Professor Knappertsbusch", hauchte sie,
geradezu hingerissen von dem Gedanken, dass sie für den
großen Maestro eine Feder lassen durfte. Ein fabelhaftes Happyend
also. Was wie ein Albtraum begann, wurde für die Hoteliersfamilie
zu einer wunderschönen Erinnerung....
aus: Bernd Mayer, Bayreuther G'schichtla, Verlag Ellwanger, Bayreuth,
2002, Seiten 79-80